Veranstaltung: | 1. Landesmitgliederversammlung 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. sonstige Anträge |
Antragsteller*in: | Thomas Schaefer (Erfurt), Lina Kornmüller (Jena) (dort beschlossen am: 10.04.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.04.2024, 22:35 |
A4: Kein Bock mehr auf rassistisch-populistische Scheindebatten! Konto statt Bezahlkarte.
Antragstext
Kein Bock mehr auf rassistisch-populistische Scheindebatten! Konto statt
Bezahlkarte.
In Deutschland wird seit Wochen über die sogenannte Bezahlkarte für Geflüchtete
diskutiert, mittlerweile gibt es sogar einen Kabinettsbeschluss zur Änderung des
Asylsbewerberleistungsgesetzes, dass die Einführung von Bezahlkarten durch die
Länder ermöglichen, bzw. erleichtern soll. Angeblich soll diese Bezahlkarte
Verwaltungen entlasten, unter anderem bei der Auszahlung von Bargeld.
Was sie aber momentan vorallem macht ist, dass sie Geflüchtete diskriminiert.
Denn sie schränkt sie ein bei der Frage wo sie einkaufen gehen können und ob und
wieviel Bargeld sie abheben dürfen. Sie werden schlicht finanziell Entmündigt.
Je nach Form der Bezahlkarte werden zum Teil bestimmte Gebiete nach Postleitzahl
festgelegt, in welchen bezahlt werden kann. Auf diese Weise wird praktisch die
Residenzpflicht durch die Hintertür wieder eingeführt. Geflüchtete werden durch
ihre Möglichkeit zu bezahlen an einen Ort gebunden und in ihrer Freizügigkeit
eingeschränkt.
Die Umsetzung einer Bezahlkarte führt in der Realität nicht zu einer
tatsächlichen Entlastung für die Verwaltungen, denn diese müssen kompliziert
festlegen wo Geflüchtete einkaufen dürfen, was sie einkaufen dürfen und wie viel
und ob Bargeld abgehoben werden darf. Zusätzlich kommt die Überwachung dieses
Systems. Außerdem hat die Bezahlkarte ganz praktische Probleme. Eine
Bezahlkarte, die Bargeldabgehbung nicht erlaubt oder beschränkt ist
beispielsweise auch für
Schüler*innen problematisch, da manche Schulausgabe wie Mittagessen nur Bar
gezahlt werden können.
Neben der vorgeschobenen Erklärung der Entlastung von Verwaltungen wird hin- und
wieder auch die etwas ehrlichere Version ausgepackt: Migration solle begrenzt
werden.
Bargeldüberweisungen würden demnach sogenannte "Pull-Faktoren" darstellen und
dazu führen, dass Menschen nach Deutschland flüchten. Die Existenz von Pull-
Faktoren ist eine lange sozialwissenschaftlich widerlegte Theorie. Noch Anfang
dieser Woche (08.04.2024) wiesen selbst die geladenen Sachverständigen in einer
Anhörung im Bundestag zum Themenkomplex diese Theorie entschieden als veraltet
zurück.
"Menschen fliehen vor Krisen, Krieg, Hunger (aufgrund von Naturkatastrophen)
oder Verfolgung, allen voran aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Wenn in
Deutschland Sozialleistungen gekürzt werden, hat das keinerlei Einfluss auf die
Fluchtentscheidungen der Menschen. Zudem werden Geflüchtete durch diese Form der
Bevormundung als Minderheit öffentlich stigmatisiert und in ihrer Menschenwürde
verletzt." (ProAsyl)
Auch das Argument die Bezahlkarte sei notwendig um Auslandsüberweisungen oder
die Zahlung von Schlepper*innen zu verhindern geht an der Realität vorbei. Die
Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz liegen noch unter dem
Existenzminimum des Hartz-4/Bürgergeldsystems. Zahlungen dieser Art existieren
wenn überhaupt erst, wenn durch ein eigenes Einkommen Geld zur Verfügung steht.
Zudem sind sie Resultat gescheiterter internationaler und europäischer Politik.
Schleuser*innen existieren, weil es keine legalen Wege der Flucht oder
Einwanderung gibt. Die weitere rassistische Kriminalisierung von Flucht und
Migration, verhindert diese nicht sondern führt zu mehr Toten, mehr Leid und zu
dem was sie vorgibt zu verhindern: halsbrecherischen und ausbeuterischen
Schleusungs-Systemen, unter denen die Geflüchteten selbst am meisten leiden.
Das Europäische System der Kriminalisierung von Flucht und Migration ist ein
tiefes moralisches Versagen und die Ignoranz historischer Verantwortung durch
koloniale und neo-kolonialer Ausbeutung und Destabilisierung.
Die Bezahlkarte ist aus unserer Sicht vorallem darauf ausgelegt Geflüchte zu
diskriminieren. Im Zweifel hört es dabei aber nicht auf. Mit der Bezahlkarte
wird zudem ein System für Sozialleistungen etabliert und getestet. Dieses System
kann auf andere Bereiche, beispielsweise die Abgabe des Bürger*innengeld oder
anderer Sozialleistungen ausgeweitet werden. Wir lehnen das fundamental ab.
Die Bundesregierung hat Anfang März einen Beschluss zur Änderung des
Asylbewerberleistungsgesetzes getroffen, der die Umsetzung von Bezahlkarten auf
Länderebene rechtssicher ermöglichen soll. Das Verfahren ist dabei ziemlich
intransparent. Der Beschluss im Bundestag erfolgt über einen Änderungsantrag an
ein schon laufendes Gesetzgebungsverfahren. Lange waren nur Informationen über
Presseverlautbarungen zugänglich, nach diesen soll die Bezahlkarte im
Wesentlichen wie eine normale Geldkarte funktionieren, zugleich aber
Überweisungen ins Ausland ausschließen und den Bezug von Bargeld beschränken.
Außerdem sollen die Leistungsbehörden selbst entscheiden können, wieviel Bargeld
die Karteninhaber innerhalb eines bestimmten Zeitraums abheben können. Damit
bleibt offen, ob die Leistungsbehörden das Abheben von Bargeld ganz verbieten
können.
Das Gesetz ist dabei neben den direkten Effekten womöglich ein trojanisches
Pferd.
Neben den Regelungen zur Bezahlkarte, die öffentlich diskutiert werden, wird in
der Formulierungshilfe für den Änderungsantrag der Vorrang von Geldleistungen
gegenüber Sachleistungen abgeschafft. Das könnte noch viel umfangreichere
Einschränkungen für Asylbewerber*innen nach sich ziehen und je nach Umsetzung in
den Ländern in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft wie unserer, große Teile
ihrer Selbstbestimmung praktisch abschaffen.
Wir wollen keine diskriminierenden Bezahlkarten. Für die Entlastung von Behörden
unter Wahrung der finanziellen Selbstbestimmung gibt es eine ganz einfache
Lösung. Diese Lösung heißt Basiskonto.
Wir fordern deshalb kostenlose Basiskonten für Geflüchtete anstelle von
Bezahlkarten einzurichten. Das Zahlungskontengesetz (ZKG) nennt als Berechtigte
für ein Basiskonto ausdrücklich auch Asylsuchende und Geduldete (§2 Abs. 1 S. 1
und 2 sowie §3 ZKG). Jedes Kreditinstitut, das grundsätzlich Zahlungskonten für
Verbraucher:innen anbietet, ist daher auch verpflichtet, ein Basiskonto für
Geflüchtete einzurichten. Dies entlastet sowohl die Verwaltung und gibt
Geflüchteten die Möglichkeit ohne Einschränkungen zu leben und fördert die
finanzielle Selbstbestimmung.
Der Beschluss einer Bezahlkarte, wie mit dem Gesetzentwurf auf Bundesebene
vorgesehen, bleibt auch unter grüner Regierungsbeteiligung falsch und ganz
fundamental abzulehnen.
Rechte Parteien werden nicht geschwächt, indem ihre rassistische Politik für sie
gemacht wird. Gesellschaftliche Stimmungen werden nicht verändert, indem sie
bedient werden. Soziale Gerechtigkeit gibt es nicht auf Kosten anderer
marginalisierter Gruppen.
Als GRÜNE JUGEND kämpfen wir weiterhin für eine gerechte Welt und damit gegen
Bezahlkarten, gegen den Zwang zu Sachleistungen, gegen Abschiebephantasien,
gegen Zwangsarbeit in Geflüchtetenunterkünften und menschenunwürdige
Unterbringung, gegen das Sterben im Mittelmeer, gegen Rassismus und gegen
Grenzen!
Begründung
Im Antragstext
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